Die Ferienkürzung im Arbeitsverhältnis einfach erklärt. Wann ist diese zulässig und wie wird sie berechnet?

Ein Arbeitnehmer ist lange krank. Da teilt ihm die Arbeitgeberin auch noch mit, dass sein Ferienanspruch gekürzt werde. Ist das zulässig und wieviel darf gekürzt werden?

Der Ferienanspruch in einem Arbeitsverhältnis entsteht in Abhängigkeit von der geleisteten Arbeit. Ein jährlicher Ferienanspruch von 4 Wochen entspricht beispielsweise 1,67 Tagen pro Monat, für 5 Wochen im Jahr sind es 2,08 Tage und für 6 Wochen 2,5 Tage. Wird seitens der Arbeitnehmenden keine Arbeit erbracht, so wächst der Ferienanspruch nicht an. Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel. Wenn die Arbeitnehmenden aus Gründen, die die Arbeitgeberin verantwortet (wie Arbeitgeberverzug), keine Arbeit leisten können, wächst das Ferienguthaben trotzdem an (z.B. bei Freistellung oder mangelnder Arbeit aufgrund schlechter Auftragslage).

Die Arbeitgeberin kann den Ferienanspruch unter gewissen Voraussetzungen gemäss Art. 329b OR kürzen. Die entsprechende Gesetzesbestimmung ist etwas unklar formuliert und führt immer wieder zu Missverständnissen. Vereinfacht sind folgende vier Konstellationen zu unterscheiden:

  • Wenn ein Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung aus Gründen verhindert ist, die nicht in seiner Person liegen (verzögerte Ferienrückkehr wegen Ausfall eines Fluges oder Vulkanausbruch) oder bei Streik oder ungerechtfertigtem Fernbleiben von der Arbeit ist die Ferienkürzung proportional bereits ab dem ersten Fehltag möglich.
  • Wenn eine Arbeitnehmerin durch ihr eigenes Verschulden mehr als einen vollen Monat im Dienstjahr (nicht Kalenderjahr – ausser dies wäre vertraglich so vorgesehen) arbeitsunfähig ist, kann der Ferienanspruch pro vollen Monat um einen Zwölftel gekürzt werden.
  • Wenn ein Arbeitnehmer unverschuldet arbeitsunfähig ist (z.B. Unfall, Krankheit oder Erfüllung gesetzlicher Pflichten), kann der Ferienanspruch ab dem zweiten vollen Monat pro Dienstjahr um einen zwölftel pro Monat gekürzt werden. Es gilt also eine Schonfrist von einem Monat
  • Bei einer schwangerschaftsbedingten Arbeitsverhinderung kann eine Kürzung erst ab dem dritten vollen Monat pro Dienstjahr gekürzt werden. Die Schonfrist beträgt somit zwei Monate.

Beispiel: Ist ein Arbeitnehmer fünfeinhalb volle Monate krank, so kann der Ferienanspruch um vier Zwölftel gekürzt werden. Der Unterschied zur verschuldeten Arbeitsverhinderung besteht also darin, dass der erste volle Abwesenheitsmonat bei der Kürzung nicht berücksichtigt wird. Wäre eine Arbeitnehmerin wegen Schwangerschaft erkrankt, so könnte der Ferienanspruch nur um drei Zwölftel gekürzt werden. Hier werden den ersten beiden Monaten nicht bei der Berechnung berücksichtigt.

Die Schonfristen können nicht kumuliert werden, wobei stets die längere Schonfrist gilt, aber sämtliche Krankheitstage angerechnet werden. Im Mutterschaftsurlaub ist eine Ferienkürzung nicht zulässig, und diese 14 Wochen dürfen auch nicht an die Schonfrist angerechnet werden.

Es muss nicht jede einzelne Arbeitsverhinderung mindestens einen vollen Abwesenheitsmonat betragen, dass eine Ferienkürzung möglich ist. Stattdessen werden einzelne Arbeitsverhinderungen, auch halbtägige, innerhalb eines Berechnungsjahres zusammengezählt. Eine Ferienkürzung ist dann zulässig, sobald unter Berücksichtigung einer eventuell vorhandenen Schonfrist von ein oder zwei Monaten ein voller Abwesenheitsmonat erreicht wurde. Da der Arbeitsmonat nicht immer gleich viele Tage hat, ist aus praktischen Gründen eine Berechnungsbasis von durchschnittlich 21,75 Tagen anzuwenden. Sobald die Arbeitsverhinderung 21,75 Tage beträgt, liegt ein voller Abwesenheitsmonat vor.

Abweichungen von der gesetzlichen Reglung können vertraglich vereinbart werden, sofern diese für den Arbeitnehmer günstiger sind. Einzig bei der verschuldeten Verhinderung an der Arbeitsleistung kann auch zuungunsten des Arbeitnehmers vom Gesetz abgewichen werden. Wechselt das Dienstjahr, entsteht wieder eine neue Schonfrist.

Da die Ferienkürzung nicht automatisch erfolgt, kann die Arbeitgeberin auch darauf verzichten. Wenn trotz langer Arbeitsunfähigkeit die ungekürzten Feriensaldi auf der Lohnabrechnung aufgeführt oder ins neue Jahr übertragen werden, so kann dies dazu führen, dass dies als Verzicht auf die Kürzung durch den Arbeitgeber ausgelegt wird. Das Kürzungsrecht wäre damit verwirkt.

Bei Fragen steht Ihnen Herr Stefan Fierz, Fachanwalt SAV Arbeisrecht, gerne zur verfügung.

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