Positive Doping-Probe: "Erste Hilfe" zum Verfahren

1.       Mitteilung des mutmasslichen Verstosses gegen das Anti-Doping Statut

Athleten müssen regelmässig Proben zur Doping Kontrolle abgeben. Dabei sind jeweils immer zwei Proben an die Doping Kontrolle zu überreichen, wobei jeweils (vorerst) nur eine der Proben (A-Probe) im Labor analysiert wird. Wenn festgestellt wird, dass ein abnormales Analyseresultat (positive Probe) bei der A-Probe vorliegt, informiert Swiss Sport Integrity (im folgenden SSI) den Athleten umgehend über das Vorliegen des abnormalen Analyseresultats sowie des damit einhergehenden mutmasslichen Verstosses gegen das Anti-Doping Statut. In der Regel wird gleichzeitig mit der Mitteilung an den Athleten der nationale Sportverband, der internationale Sportverband und die World Anti Doping Organisation (im folgenden WADA) informiert. Zudem wird das Ergebnis der Analyse im Anti-Doping Administration and Management System (im folgenden ADAMS) eingetragen. Dem Athleten wird die Möglichkeit gegeben, innerhalb kurzer Frist Stellung zu nehmen.

2.      Provisorische Sperre

Mit der Mitteilung des mutmasslichen Verstosses gegen das Anti-Doping Statut oder zu einem späteren Zeitpunkt kann SSI gegenüber dem angeschuldigten Athleten eine provisorische Sperre verhängen. Dabei hat SSI dem angeschuldigten Athleten kurz vor oder nach der Verhängung die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme einzuräumen. Eine provisorische Sperre hat äusserst negative Auswirkungen auf die sportliche Entwicklung des Athleten. So wird der angeschuldigte Athlet regelmässig durch die provisorische Sperre von der Teilnahme an sämtlichen Wettkämpfen oder organisierten Trainings weltweit und für sämtliche Sportarten ausgeschlossen.

Eine provisorische Sperre kann bei der Disziplinarkammer mit einer Einsprache angefochten werden. Die Disziplinarkammer entscheidet abschliessend über die provisorische Sperre, wobei dieser Entscheid von der WADA sowie vom internationalen Sportverband vor dem Tribunal Arbitral du Sport (TAS) in Lausanne angefochten werden kann.

3.      Medien

SSI kann die Identität des Athleten, die Art des Vorstosses sowie die provisorische Sperre offenlegen. Vorab muss jedoch der Athlet sowie der nationale und internationale Sportverband und die WADA über den potenziellen Verstoss gegen die Anti-Doping Bestimmungen in Kenntnis gesetzt werden. Erfahrungsgemäss werden unmittelbar nach der Bekanntgabe der provisorischen Sperre die Medien den angeschuldigten Athleten mit den Vorwürfen des potenziellen Verstosses gegen das Doping-Statut konfrontieren.

4.      Erste Handlungsschritte

Nach der Mitteilung durch SSI über einen mutmasslichen Verstoss gegen das Anti-Doping Statut ist oft unklar, was die Ursachen für eine positive Doping-Probe sind. Es empfiehlt sich sofort entsprechende Abklärungen mit sachkundigen Experten vorzunehmen. Derartige Abklärungen können entscheidend für den Ausgang des Verfahrens sein.

Aufgrund der Komplexität des Verfahrens und den möglichen negativen Auswirkungen des Verfahrens auf die Karriere des angeschuldigten Athleten, ist es zu empfehlen, direkt nach Erhalt der Mitteilung einen auf Sportrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu kontaktieren und sich beraten zu lassen.

5.      Handlungsoptionen im Resultatmanagementverfahren

Mit der Mitteilung des mutmasslichen Verstosses gegen das Anti-Doping Statut wird das Resultatmanagementverfahren eröffnet. In diesem Verfahren kann bzw. sollte der angeschuldigte Athlet diverse Rechte wahrnehmen: So sollte er die Analyse der B-Probe verlangen, bei der Öffnung und der Analyse der B-Probe anwesend sein oder sich durch eine fachkundige Person vertreten lassen, Kopien der Labordokumentation der beiden Proben verlangen, eine Stellungnahme innert kurzer Frist verfassen oder sich unter Umständen freiwillig provisorisch sperren zu lassen.

Dem angeschuldigten Athleten sollte es im Zeitpunkt eines allfällig ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzichts des Verlangens der Analyse der B-Probe bewusst sein, dass er unwiderruflich auf die Analyse der B-Probe verzichtet. Bei einem Verzicht wird das Analyseresultat der A-Probe definitiv. So gestaltet es sich unter Umständen im weiteren Verfahren schwierig darzulegen, dass der angeschuldigte Athlet nicht gegen das Doping-Statut verstossen hat.

Selbst wenn das Analyseergebnis der B-Probe die A-Probe bestätigt, hat der angeschuldigte Athlet die Möglichkeit zur Stellungnahme innert kurzer Frist. Er kann nochmals aufzeigen aus welchen Gründen es zum angezeigten Analyseresultat gekommen ist und dass er sich nicht eines Verstosses gegen das Anti-Doping Statut schuldig gemacht hat.

Um die Plausibilität der Stellungnahmen zu überprüfen, kann SSI nach Erhalt der Stellungnahme weitere Informationen und Beweismittel vom angeschuldigten Athleten verlangen oder sich mit Drittpersonen in Verbindung setzen.

6.      Anklage und Verfahren vor Disziplinarkammer

SSI erhebt Anklage bei der Disziplinarkammer, wenn der Dopingverdacht nicht glaubhaft entkräftet werden kann. Der angeschuldigte Athlet wird über die Eröffnung eines Verfahrens informiert. In diesem Verfahren wirken der angeschuldigte Athlet, SSI sowie der nationale Sportverband mit, sofern letzterer eine Beteiligung am Verfahren innert Frist verlangt hat. Jede Partei erhält die Möglichkeit eine Stellungnahme zu verfassen oder entsprechende Anträge zu stellen.

Da die Disziplinarkammer den Sachverhalt von Amtes wegen zu ermitteln hat, kann sie unabhängig von den Anträgen der Parteien weitere Beweise erheben. Der angeschuldigte Athlet bzw. sein Rechtsbeistand sollte jedoch aufgrund der Beweislastverteilung zwingend entlastende Beweismittel der Disziplinarkammer einreichen.

Wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, gewährt die Disziplinarkammer den Parteien nochmals die Möglichkeit innert Frist kurz begründete Ergänzungsanträge zu stellen.

Die Disziplinarkammer urteilt nach Beendigung der Parteiverhandlung in geheimer Beratung. Die Disziplinarkammer begründet den Entscheid und stellt ihn per Einschreiben den Parteien, der zuständigen internationalen Sportorganisation und der WADA zu. SSI muss spätestens nach 20 Tagen nachdem die Disziplinarkammer den Entscheid den Parteien mündlich eröffnet hat, über den Entscheid öffentlich berichten (Art. 14.3.2 Doping-Statut).

Nach dem Erhalt der schriftlichen Entscheidbegründung kann der Entscheid von den Parteien innert 21 Tagen beim TAS in Lausanne angefochten werden.

7.      Beweislast und Beweismass

Die Disziplinarkammer entschiedet unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und der Ergebnisse des Untersuchungsverfahrens unter Beachtung der Bestimmungen gemäss Art. 3 Doping-Statut und nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 20 Abs. 1 Reglement betreffend das Verfahren vor der Disziplinarkammer des Schweizer Sports). Art. 3.1 Anti-Doping Statut regelt die Beweislast und -mass. So trägt SSI die Beweislast für Verstösse gegen die Anti-Doping-Bestimmungen. SSI muss überzeugend darlegen, dass ein solcher Verstoss festgestellt wurde. Die Anforderungen an das Beweismass sind in allen Fällen höher als die blosse Wahrscheinlichkeit, jedoch geringer als ein Beweis, der jeden Zweifel ausschliesst.

Liegt die Beweislast für den Gegenbeweis einer zu widerlegenden Vermutung oder für den Nachweis aussergewöhnlicher Tatsachen oder Umstände beim Athleten oder einer anderen Person, dem beziehungsweise der ein Verstoss gegen Anti-Doping-Bestimmungen angelastet wird, so besteht die Anforderung an das Beweismass in der Glaubhaftmachung. Dies hat zur Folge, dass ein Athlet regelmässig seine Unschuld glaubhaft machen muss. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache dann, wenn für deren Vorhandensein gewisse Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sich die Tatsache nicht verwirklicht haben könnte (BGE 140 III 610, E. 4.1; BGE 132 III 715 E. 3.1 S. 720; BGE 130 III 321 E. 3.3 mit Hinweisen). Dieses Mass wird mit anderen Worten erreicht, wenn das Vorhandensein einer Tatsache wahrscheinlicher erscheint als deren Nichtvorhandensein (BOHNET/JEANNIN, Droit du bail, N 15).

Gemäss der Rechtsprechung des TAS hat der Athlet eine Kontamination mit einer verbotenen Substanz durch die Einnahme von angeblich kontaminiertem Fleisch glaubhaft dargelegt, wenn er beweisen kann, dass in seinem speziellen Fall eine Kontamination des Fleisches möglich war und dass andere Quellen aus denen die verbotene Substanz in seinen Körper gelangt sein könnte, entweder nicht existieren oder weniger wahrscheinlich sind (vgl. CAS 2011/A/2384, E. 260 f.). Im Falle der Kontamination mit Kokain konnte der Athlet im konkreten Fall glaubhaft darlegen, dass das Kokain am wahrscheinlichsten durch den Kuss mit einer Frau, die regelmässig Kokain konsumierte, in sein System gelangt ist (vgl. ITF v. Richard Gasquet, CAS 2009/A/1926, E. 5.25).

8.      Kosten des Verfahrens

Die Disziplinarkammer entscheidet über die Kostenverteilung im Disziplinarverfahren. Die Kosten für das Prüf- und das Hauptverfahren wird mit einer Pauschalgebühr von CHF 250.00 bis CHF 6'000.00 festgesetzt. Dieser Höchstbetrag kann in besonders aufwändigen Fällen jedoch überschritten werden.

Bei Verurteilung des Athleten werden die Kosten des Verfahrens sowie die Parteikosten von SSI in der Regel dem angeschuldigten Athleten auferlegt. Kommt es zu keiner Verurteilung, so hat Swiss Olympic, SSI oder der nationale Sportverband die Kosten zu tragen. Zudem hat der angeschuldigte Athlet bei einem Freispruch Anspruch auf den Ersatz seiner Parteikosten.

Verfügt der angeschuldigte Athlet nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel und erscheint sein Rechtsbegehren nicht aussichtslos, so wird ihm die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

9.      Fazit

Insgesamt ist das Verfahren bei einem potentiellen Verstoss gegen das Doping Statut auf allen Ebenen äusserst komplex und kann schwerwiegende Folgen für die Zukunft des betroffenen Athleten haben.

Sowohl SSI sowie auch die Disziplinarkammer untersuchen den Verstoss umfassend und gewähren dem angeschuldigten Athleten stets die Möglichkeit zum Verfassen einer Stellungnahme sowie das Stellen von Anträgen. Aufgrund der Tatsache, dass die Beweislast für den Gegenbeweis einer zu widerlegenden Vermutung oder für den Nachweis aussergewöhnlichen Tatsachen oder Umstände beim Athleten liegt und er somit seine Unschuld glaubhaft darlegen muss, ist jedes Beweismittel und jede Stellungnahme entscheidend für das Verfahren und das Schicksal der Karriere des Athleten.

Abschliessend ist nochmals zu betonen, dass in solch einem bedeutenden und umfangreichen Verfahren schnellstmöglich ein auf Sportrecht spezialisierten Rechtsbeistand beizuziehen ist.

Gerne stehen wir Ihnen in diesem Zusammenhang für die Beratung und die Vertretung vor den jeweiligen Instanzen zur Verfügung.

 

Gabriel Nigon, Alexander Pfeiffer und Chantal Fischli

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