Risiko Ferienlohn – Stolpersteine bei der Ausbezahlung der Ferien im Stundenlohn

In den meisten Arbeitsverträgen im Stundenlohn wird festgehalten, dass die Ferien mittels eines Zuschlags auf den laufenden Lohn ausbezahlt werden. Bei einem Ferienanspruch von vier Wochen im Jahr beträgt der Zuschlag normalerweise 8,33 Prozent, bei einem Anspruch auf fünf Wochen Ferien 10,63 Prozent. Was den meisten Arbeitgebern jedoch nicht bewusst ist, dass sie damit ein erhebliches Risiko eingehen. Dieses Risiko hat sich mit dem neuen Bundesgerichtsurteil 4A_72/2018 vom 6. August 2018 erheblich verschärft.

1. Bisherige Rechtslage zur Abgeltung der Ferien im Stundenlohn

Gemäss Art. 329d Abs. 1 OR hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Ferien den gesamten darauf entfallenden Lohn zu entrichten. Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung bedeutet diese Bestimmung, dass der Arbeitnehmer während den Ferien lohnmässig nicht schlechter gestellt werden darf, als wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte. Insbesondere bei vorwiegend provisionsbasierten Löhnen muss somit in den Ferien auch eine hypothetische Provisionsanrechnung erfolgen. Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer schlechter stellen, sind nichtig (Art. 362 Abs. 2 OR). Die absolut zwingende Norm von Art. 329d Abs. 2 OR (Art. 361 OR) bestimmt zudem, dass die Ferien während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden dürfen.

Die Durchsetzung des Verbots der Abgeltung mit dem laufenden Lohn kann bei unregelmässigen Beschäftigungen, namentlich bei Teilzeitstellen, Schwierigkeiten bereiten. Das Bundesgericht hat deshalb eine Abgeltung des Ferienlohnes in solchen Fällen in Abweichung vom Gesetzestext unter strengen Voraussetzungen ausnahmsweise zugelassen. Einerseits muss eine sehr kurze oder sehr unregelmässige Beschäftigung vorliegen, welche die Berechnung des Ferienlohns als schwierig erscheinen lässt. Andererseits muss der auf den Ferienlohn entfallende Anteil sowohl im Arbeitsvertrag als auch auf den Lohnabrechnungen explizit aufgeführt sein (idealerweise als Brutto- und Nettobetrag).

2. Folgen nicht rechtmässiger Ferienabgeltung

Ist eine der vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllt (was in der Gerichtspraxis leider häufig der Fall ist), kann der Arbeitnehmer aufgrund der Ungültigkeit der Abgeltung die nochmalige Auszahlung des Ferienlohns für die letzten fünf Jahre verlangen. Bei einem Ferienanspruch von fünf Wochen im Jahr beträgt das Risiko der Doppelzahlung für den Arbeitgeber 25 Wochen und somit fast ein halbes Jahressalär pro Mitarbeiter. Wird die Forderung von mehreren Mitarbeitern gleichzeitig geltend gemacht, kann dies zur existenziellen Bedrohung für ein Unternehmen werden.

3. Lösungen zur rechtssicheren Auszahlung der Ferienentschädigung im Stundenlohn

Das Risiko der Doppelzahlung kann vermieden werden, indem die Ferienentschädigung zwar in Prozenten auf den Lohn berechnet, jedoch nicht monatlich ausbezahlt, sondern jeweils auf einem speziellen Konto gutgeschrieben wird. Die Auszahlung des Ferienanteiles erfolgt dann erst beim effektiven Ferienbezug des Mitarbeiters. Damit kann verhindert werden, dass die Mitarbeiter keine Ferien beziehen und die Ferienentschädigung laufend für den Lebensunterhalt verwenden. Die UNIA befürwortet diese Variante.

Eine andere Variante wäre, dass dem Mitarbeiter während seiner Ferienabwesenheit der Durchschnittslohn während einer passenden Vergleichsperiode ausbezahlt wird.

Mit diesen beiden Varianten kann in jedem Fall verhindert werden, dass die Ferien doppelt ausbezahlt werden müssen. Dies ist insbesondere notwendig, als dass das Bundesgericht mit dem neusten Entscheid BGE 4A_72/2018 vom 6. August 2018 bereits zum wiederholten Mal anklingen lässt, allenfalls zukünftig die Abgeltung der Ferien über den Stundenlohn auch unter den bisherig geltenden Voraussetzungen nicht mehr zuzulassen. Bisher konnte das Bundesgericht diese Frage offen lassen, da die Abgeltung der Ferien jeweils bereits am Fehlen anderer Voraussetzungen gescheitert ist. Insofern ist es m.E. für jedes Unternehmen unerlässlich, umgehend auf eine der beiden vorstehend erläuterten Varianten umzustellen.

Kontakt: lic. iur. Stefan Fierz, Advokat, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht

 

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